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Joachim Scherrer im Interview

Joachim Scherrer ist Vorstand der BERR eG, einer Energiegenossenschaft, die sich für die regionale Energiewende in der Stadt und im Landkreis Regensburg einsetzt. Mit seiner Genossenschaft hat Herr Scherrer Mieterstromprojekte sowie einen Solarpark realisiert und speist damit den Regionalstromtarif „bavariastrom“.

"Wir werden nicht locker lassen"

Herr Scherrer, mit der BERR eG engagieren Sie sich seit Jahren aktiv für eine nachhaltige und dezentrale Energieversorgung. Woher stammt Ihr Interesse am Thema Umwelt und Energiewende?

Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, dann ist nicht mehr zu übersehen, dass wir vor einer gewaltigen Herausforderung stehen. Sollten wir so weitermachen wie bisher, dann fahren wir die Erde mit dem Klimawandel gegen die Wand. Meinen beiden jungen Kindern möchte ich jedoch eine lebenswerte Welt hinterlassen und dafür Sorge tragen, dass sie dieselben Zukunftschancen haben, wie sie meiner Generation offen standen. Meiner Meinung nach lohnt es sich also für die Energiewende zu kämpfen. Man tritt da gegen Personen und Institutionen an, die ihren Profit in den Vordergrund und die Umwelt hintenan stellen. Da ich aber schon immer etwas bewegen wollte, macht mir das Spaß. 

Wie kam es zu dem Entschluss die BERR eG zu gründen?

Eigentlich ist das ganz zufällig entstanden. Über die Regensburger Energieagentur bin ich auf das Thema energetische Sanierung aufmerksam geworden. Mit dem damaligen Chef kam dann die Idee auf, eine Energiegenossenschaft zu gründen. Ich war interessiert, besuchte die erste Infoveranstaltung und stellte fest, dass ich damit nicht allein war. Obwohl nicht großartig angekündigt, waren 100 Menschen vor Ort, die sich engagieren wollten. Die örtliche Politik pfiff die Energieagentur dann jedoch zurück, sodass zunächst alles stillstand. Nach etwa zwei Jahren initiierten Landratsamt und Energieagentur im Jahr 2012 schließlich doch die Gründung und fragten mich als Vorstandsmitglied an.

Wie viele Menschen waren anfangs dabei – und wie viele sind es heute?

Bei der Gründungsversammlung waren es etwa 190 Personen. Heute sind wir bei 283 Mitgliedern angekommen, ohne dass wir jemals Werbung gemacht hätten. Das liegt natürlich auch an der vitalen Umwelt- und Klimaschutzszene hier in Regensburg. Manche unserer Mitglieder sind z.B. beim BUND aktiv und übernehmen auch dort Verantwortung.

Sind Sie in Ihrer Genossenschaft derjenige, der ökologisches Denken und Handeln mit ökonomischer Vernunft vereint?

Also ich komme ja letztlich aus einer ganz anderen Ecke, nämlich der Finanzwelt und habe dort den Bereich Privatkunden für 40 Geschäftsstellen verantwortet. Dazu gehörten die Finanzierung von Wohngebäuden und PVAnlagen, aber auch Beratungsdienstleistungen - etwa im Bereich Energiesparen. Ökologie und Ökonomie stehen also keineswegs im Widerspruch – ganz im Gegenteil.

Worin sehen Sie die Aufgabe Ihrer Genossenschaft?

Die Aufgabe der Genossenschaft besteht in der Umsetzung der Energiewende in der Region Regensburg und beinhaltet zunächst, das Geld der Mitglieder entsprechend zu investieren. Wir sind aber keineswegs nur Kapitalgeberin für Dritte - ein Grundsatz ist vielmehr, dass wir auch operativ tätig sein wollen. Unser Weg war und ist deshalb immer, eigene Energiewende-Projekte zu realisieren und die produzierte erneuerbare Energie auch in die Region zu liefern.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das „Haus mit Zukunft“, ein rundum nachhaltiger Neubau der NaBau eG, der als Mieterstromprojekt im Jahr 2014 die Kooperation zwischen BERR eG und naturstrom begründete. Heute ist das Projekt ein prämiertes sozial-ökologisches Vorzeigebeispiel. Wie kam es zu dem Projekt?

Die NaBau eG - eine Genossenschaft, die sich schon in ihrem Titel dem „nachhaltigen Bauen“ verschrieben hat - kam damals mit der Frage zu uns, ob wir Interesse hätten, auf deren Neubau eine PV-Anlage zu errichten und die Ökostromversorgung zu übernehmen. Wir hatten bereits Erfahrungen mit Dach-PV-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden gesammelt und den Solarstrom auch in die Gebäude geliefert. Dass eine Bündelung von hausgemachtem Solarstrom und Ökostrom aus dem Netz in einem Tarif möglich ist, war uns jedoch zunächst noch unbekannt gewesen. Da die BERR eG kein Energieversorger war und entsprechend auch keinen Ökostrom aus dem Netz liefern konnte, kam naturstrom als Projektpartner hinzu, sodass wir den Mieterinnen und Mietern schlussendlich einen Mieterstromtarif anbieten konnten. Und am Ende waren alle Beteiligten inklusive der Mieterschaft zufrieden. 

Dass die Menschen die Energiewende in ihrem eigenen Zuhause annehmen, zeigt das Haus mit Zukunft eindrücklich. Dort haben sich alle 35 Haushalte entschieden, den Mieterstromtarif zu nutzen - keine Selbstverständlichkeit. Was war das Erfolgsrezept?

Besonders naheliegend ist der Fakt, dass man sich beim Einzug in eine neue Wohnung sowieso um viele Themen kümmern muss, darunter auch die Wahl eines Stromanbieters. Und wenn man sich dann für eine nachhaltig ausgerichtete Wohnungsbaugenossenschaft entscheidet und in ein Haus zieht, auf dessen Dach der eigene Ökostrom produziert wird, dann passt das einfach hervorragend zusammen. 

Das Haus mit Zukunft gehörte zu den ersten Mieterstromprojekten in Deutschland. Ihre Genossenschaft leistete damit gemeinsam mit naturstrom Pionierarbeit. Ist das mühsam?

Im Endeffekt gehen wir ständig neue Wege, denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Energiewende ändern sich ja permanent – nichts ist wirklich verlässlich und wir sehen uns mit immer neuen Hürden konfrontiert. Mich reizt es aber gerade dann, zu zeigen, dass es doch geht. 

Nach dem Haus mit Zukunft folgte die Zusammenarbeit im Bereich Regionalstrom. Mit „bavariastrom“ können Menschen in Bayern regionalen Ökostrom beziehen, den u.a. Solaranlagen der BERR eG produzieren. Warum engagieren Sie sich in der regionalen Stromvermarktung?

Auch hier wirkt unser Grundsatz der Regionalität. Der mit unseren Anlagen erzeugte Strom soll in der Region verbraucht werden, und nicht nur klassisch eingespeist werden. Bei bavariastrom ist das möglich und außerdem – das war uns auch sehr wichtig – stammen bei diesem Stromangebot, das mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen aus Bayern zu einem Tarif bündelt, etwa die Hälfte des Ökostroms aus Bürgerkraftwerken. Strom aus Österreich oder ein wie auch immer gelabelter Strom aus Norwegen gehören nicht dazu. Dieses Paket, das von naturstrom geschnürt wird, hat für uns am Ende einfach am besten gepasst. Und war nicht zuletzt wohl auch einer der Gründe, weshalb wir als Genossenschaft die Solar-Ausschreibung gewonnen haben. 

Wie sehen Sie die Zukunft der BERR? Wohin geht die Reise?

Wir halten Mieterstrom für genau das Richtige: Dezentrale Energieerzeugung und Verbrauch direkt vor Ort. Deshalb werden wir das weiterhin verfolgen. Und auch wenn der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen erschwert, werden wir nicht locker lassen. Die nächsten Projekte sind bereits in Planung – darunter auch PV-Mieterstrom für sozialen Wohnungsbau. Unser Anspruch wird dort sein, einen attraktiven Mieterstromtarif anzubieten, das Thema Energiewende unterzubringen und entsprechend viele Menschen für den Wechsel in den Mieterstromtarif gewinnen zu können. Letztlich sehe ich keinen Grund, wieso jemand sich für einen konventionelle Strommix mit Kohle und Atom entscheiden sollte, wenn die Möglichkeit besteht, günstigen Ökostrom vom eigenen Dach zu nutzen.

Darüber hinaus haben wir aktuell zwei Solarparks mit jeweils 750 Kilowattpeak sowie drei Windräder auf der Liste. Die Solarparks können wir errichten, wenn der Netzbetreiber sein Netz entsprechend ertüchtigt. In der Öffentlichkeit ist meist von HGÜ-Leitungen die Rede. Für die dezentrale und regionale Energiewende ist aber vor allem entscheidend, dass die Verteilnetze den regional erzeugten Strom auch aufnehmen können.

Für die drei Windräder liegen bereits Genehmigungen vor und wir warten derzeit auf das „Go“ von unserem Projektierer. Da uns Widerstand von wenigen Gegnern vor Ort signalisiert wurde, werden wir hier das Gespräch suchen. Gleichzeitig wurden wir von anderen Bewohnern vor Ort bereits gebeten, das Projekt zu begleiten. Für uns ist das natürlich eine Gelegenheit für unser Anliegen der regionalen Energiewende zu trommeln und auch bavariastrom ins Gespräch zu bringen – ganz nach dem Motto „echter Ökostrom aus der Region für die Bürger der Region“.

Das Gespräch führte Klaus Gruber 

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