22.09.2020

EEG-Novelle: Energiewende-Akteuren mehr zutrauen

Vor dem für morgen erwarteten Kabinettsbeschluss zur EEG-Novelle sieht die NATURSTROM AG deutlichen Nachbesserungsbedarf. Der Öko-Energieversorger mahnt angesichts der angestrebten Treibhausgasneutralität höhere Ausbauziele an – und generell mehr Luft zum Atmen für die Treiber der Energiewende.

„Die vorgesehenen Ausbaupfade ignorieren den zusätzlichen Ökostrombedarf im Zuge der Sektorenkopplung“, moniert Dr. Thomas E. Banning, Vorstandsvorsitzender von NATURSTROM. Dem selbstgesteckten Ziel der Treibhausgasneutralität bereits in den 2040er-Jahren trage der EEG-Entwurf nicht Rechnung, da entgegen aller Branchenerwartungen ein unveränderter Strombedarf auf heutigem Niveau angesetzt sei. „Elektroautos, Wärmepumpen und andere Stromanwendungen im Mobilitäts- und Wärmesektor bringen den Klimaschutz nur dann voran, wenn der benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Und auch für die groß angekündigte Wasserstoffstrategie der Bundesregierung benötigen wir hierzulande deutlich mehr Ökostrom. Für das EEG muss es also heißen: realistische Stromverbrauchsannahmen und einen schnelleren Erneuerbaren-Zubau.“

Der Öko-Energieversorger erkennt an, dass einige Regelungen in die richtige Richtung gehen: die bisher enthaltene Erhöhung der Ausschreibungsmengen, die Ausweitung der Flächenkulisse für Photovotaik-Freiflächenanlagen, die Südquote bei der Windenergie oder die eigene, aber zu geringe Vergütungskategorie für Mieterstrom. Diese Maßnahmen reichen aber bei Weitem nicht aus oder werden durch restriktive Regelungen wie die Verpflichtung zur stufenlosen Steuerung von Erzeugungsanlagen durch die Netzbetreiber bereits ab 1 kW Leistung, die Ausweitung der Vergütungskürzungen bei negativen Preisen oder die Umstellung auf Jahresmarktwerte konterkariert.

Banning macht deutlich: „Die Bundesregierung will mit dem EEG 2021 zurecht verankern, dass der Stromsektor in den 2040er-Jahren treibhausgasneutral werden soll. Aus unserer Sicht müssen spätestens zu Anfang dieses Jahrzehntes 100 Prozent Erneuerbare Energien erreicht sein. Dies gelingt aber nicht, wenn die Bundesregierung die kostengünstige Stromerzeugung aus Wind und Sonne mittels Ausschreibungen weit unter dem Ausbaupotenzial deckelt und wenn gleichzeitig die Finanzierung und der Betrieb neuer Projekte durch die Ausweitung der Vergütungskürzung bei negativen Preisen an der Strombörse unkalkulierbar gemacht werden.“

Eine erhebliche Leerstelle sieht NATURSTROM auch in der fehlenden Regelung für den Weiterbetrieb von Wind- und Solaranlagen, deren EEG-Vergütung ausläuft. Denn sonst droht der Energiewende in den kommenden Jahren sogar ein Rückbau an Windenergie-Leistung, anstatt des nötigen deutlichen Ausbaus. „Das Bundeswirtschaftsministerium ignoriert die prekäre Lage der Altanlagen, die ihren EEG-Anspruch verlieren, und das in Corona-Zeiten, in denen die Börsenstrompreise in den Keller gerutscht sind. Um den Betreiberinnen und Betreibern hier kurzfristig eine Perspektive zu bieten, plädieren wir für eine niedrige, befristete Auffanglösung. Hierdurch wird die weiter klar als Zielbild bestehende private Vermarktung nach unten abgesichert, so dass viele Anlagen vor der Abschaltung bewahrt werden können. Das kostet kaum etwas, bringt aber viel“, erklärt Banning mit Blick auf ein bereits im Juni veröffentlichtes Konzept des Öko-Energieversorgers, der sowohl im Betrieb von Öko-Kraftwerken als auch in der Stromvermarktung tätig ist.

Der NATURSTROM-Vorstand bemängelt zudem grundsätzlich, dass das EEG die Erneuerbaren im Detail immer mehr gängelt und kaum noch Luft bleibt für innovative Versorgungskonzepte, Bürgerenergie-Akteurinnen und -Akteure und die mittelständische Energiewendewirtschaft. Von der Erschwerung des Eigenverbrauchs bei sogenannten Ü20-Solaranlagen durch eine energiewirtschaftlich, volkswirtschaftlich und für die Anlagenbetreiber einzelwirtschaftlich unsinnige Viertelstundenbilanzierung nur weniger Kilowattstunden über die niedrige Leistungsgrenze bzw. deren schnelle Absenkung sowie das Verbot von Eigenverbrauch bei den neu eingeführten Ausschreibungen für Aufdach-Photovoltaik bis hin zu einer in der Praxis irrelevanten Änderung bei der Anlagenzusammenfassung im Bereich Mieterstrom – dezentrales Energiewende-Engagement wird durch die EEG-Novelle an vielen Stellen eher erschwert statt gefördert.

Banning zeigt sich daher insgesamt enttäuscht von dem bisherigen Entwurf: „Vor Kurzem hat Herr Altmaier noch eine große Klimaschutz-Charta vorgeschlagen. Und kurz darauf veröffentlicht er einen EEG-Entwurf, der die Erneuerbaren an die Kandare legt, statt den Energiewende-Akteuren mehr zuzutrauen. Eigeninitiative in dem Bereich scheint dem BMWi eher unheimlich zu sein – dabei brauchen wir Freiräume für Pionierinnen und Pioniere, um erst die Stromversorgung und dann den ganzen Energiesektor vollständig auf Erneuerbare umzustellen. Nur so wird wirksamer Klimaschutz möglich. Daher hoffen wir noch auf einige Besserungen im parlamentarischen Verfahren – denn die Zeit läuft uns längst davon.“