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Bürgerenergie: Windpark Freudenberg

Etwa 300 Bürgerenergiegesellschaften gibt es in Bayern - mehr als in jedem anderen Bundesland. Kein Wunder, ist der Süden der Republik doch sonnenverwöhnt und auch an windreichen Standorten besteht kein Mangel. Die oberpfälzische Gemeinde Freudenberg ist ein besonders gutes Beispiel, wie die Sache mit der Bürgerenergie laufen kann - wenn man es richtig anpackt.

Bedingungsanleitung für einen Bürgerwindpark

Kurz vor Weihnachten im Jahr 2011 ist es soweit. In Freudenberg, einer oberpfälzischen Gemeinde östlich von Nürnberg, gehen an einem Waldrand gelegen zwei Windkraftanlagen ans Netz. Das Besondere: Idee und Initiative stammen von den Menschen vor Ort und - wie so oft - treiben einige wenige Personen das Projekt vom ersten Einfall bis zur Umsetzung voran. In Freudenberg ist Andreas Wilczek einer davon. Der gelernte KFZ-Meister und spätere Solarberater gehört zu den vier Gründern der Bürgerwind Region Freudenberg GmbH und ist heute einer der beiden Geschäftsführer.

Prioritätentausch als Akzeptanzfaktor

Die Art und Weise, wie Wilczek und seine Mitstreiter das Bürgerwindprojekt realisieren, darf durchaus als vorbildlich bezeichnet werden. Denn von Beginn an steht nicht etwa die Erzielung einer maximalen Rendite im Vordergrund, sondern vielmehr die Befürwortung durch die Anwohner sowie die Verträglichkeit für Umwelt und Natur. „Bei uns hat der Weg das Ziel bestimmt und nicht umgekehrt“, bringt Wilczek die Vorgehensweise der Bürgerenergiegesellschaft auf den Punkt.   

Das ist in Freudenberg auch nötig, denn bereits drei Jahre bevor die beiden Bürgerwindanlagen installiert werden plant ein einzelner Akteur im Jahr 2008 die Errichtung von 25 bis 30 Windkraftanlagen im Landkreis, allein fünf bis acht Anlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Freudenberg. Verträge mit den bayerischen Staatsforsten werden „im stillen Kämmerlein“ und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Erst aus der Presse erfahren die Menschen vor Ort von den Plänen - vom „größten zusammenhängenden Windpark Bayerns“ ist dort die Rede.

In der Folge regt sich Widerstand in der Bevölkerung. „Protest pur“ nennt Wilczek den damaligen Zustand im Landkreis. Auch er ist nicht einverstanden, was dort über den Kopf der Anwohnerinnen und Anwohner hinweg verhandelt wird. Jedoch ist er kein Windkraftgegner im klassischen Sinne - sein Credo lautet vielmehr „Windkraft ja - aber nicht nach Investor-Mentalität“. Für ihn ist die Nutzung der Windkraft beim Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien viel zu wichtig - eine lokale Gegnerschaft kommt nicht in Frage.

Eigeninitiative bringt die Wende

Also geht Wilczek zusammen mit seinen Mitstreitern den logischen nächsten Schritt und die Vier nehmen die Sache selbst in die Hand. Wenn es doch bereits Bürger-Sonnenkraftwerke gibt, warum soll es dann nicht auch mit Bürger-Windkraftwerken funktionieren? Im Juni 2008 gründen sie deshalb die „Gemeinschaft Bürgerwind Region Freudenberg“ und führen Informationsveranstaltungen zum Thema durch. „Letztlich haben wir nur sachlich argumentiert und sind in den Dialog gegangen. Im Ergebnis hatten wir plötzlich erstaunlich großes Interesse.“, erinnert sich Wilczek. Die Botschaft der „kritischen Windkraftbefürworter“ kommt an. Wenig später spricht sich eine große Mehrheit der Anwesenden auf der Bürgerversammlung in Freudenberg für die Einleitung einer Bauleitplanung für Windkraft aus.

Der Grundstein ist gelegt. Um eine Rechtsgrundlage für Verträge und weitere Verhandlungen zu schaffen, wird im März 2009 aus der Gemeinschaft eine Gesellschaft - die Bürgerwind Region Freudenberg GmbH wird gegründet. Wilczek und seine Mitstreiter führen viele Gespräche mit der Gemeinde, Behörden, Verbänden, Windanlagen-Herstellern und anderen Bürgerwind-Akteuren - die Idee reift Stück um Stück.

Herausfordernde Windkraftprojektierung

Schließlich einigt man sich auf die Errichtung von zwei Windkraftanlagen unter finanzieller Beteiligung der lokalen Bevölkerung. Bald beginnt die konkrete Projektplanung - aufwändige Windmessungen, Standortsuche, Artenschutzprüfungen, Genehmigungsfragen, Sicherung der Finanzierung. Ein komplexes Unterfangen, von dem sich Wilczek und seine Mitstreiter jedoch nicht entmutigen lassen. Ganz im Gegenteil, das Ziel rückt näher.

Nach zweijähriger Vorarbeit wird es dann endgültig. Die Einspeisezusage vom regionalen Netzbetreiber liegt vor und so werden im Oktober 2010 zwei Windkraftanlagen des Typs Enercon E-82-E2 mit jeweils 2,3 MW Nennleistung gekauft. Die Anlagen gehören bereits zu dem Typus „moderne Riesen“ und weisen eine Gesamthöhe von 179 Metern auf - das macht hier im Binnenland auch Sinn, denn dort oben weht der Wind gleichmäßiger und außerdem kräftiger.

Das hat Vorteile - so verschleißen die Anlagen langsamer, verursachen weniger Geräuschemissionen am Boden, speisen beständiger Strom ins Netz ein und liefern nicht zuletzt zusätzlichen Ertrag - etwa 25 Prozent mehr bei einer Nabenhöhe von 138 Metern anstatt von 108 Metern. Dieses Phänomen will man nutzen und mit den beiden Anlagen jährlich mindestens acht Millionen Kilowattstunden Windstrom erzeugen, genug um fast den gesamten Stromverbrauch der 4.000-Seelen-Gemeinde Freudenberg zu decken.

Vom Spatenstich zur Inbetriebnahme in 5 Monaten

Im Februar 2011 folgt dann der wichtigste Meilenstein: Das Projekt erhält die Baugenehmigung vom Landratsamt Amberg-Sulbach und nimmt damit die wichtigste Hürde auf dem Weg zur Realisierung. Diese lässt nicht lange auf sich warten. Baubeginn ist Mitte Juli mit dem Ziel, den Bürgerwindpark noch im selben Jahr in Betrieb zu nehmen. Und tatsächlich geht die Errichtung flott voran.  Die Baustelle erfreut sich dabei größter Beliebtheit - zeitweise besuchen bis zu 500 Menschen die Bauarbeiten und bestaunen beispielsweise die sogenannte „Hochzeit“, also den Moment, an dem die Rotornabe in 138 Metern Höhe an den Generator angedockt wird. Das selbst gesteckte Ziel kann schließlich gehalten werden. Nach fünf Monaten sind die beiden Anlagen im Jahr 2011 noch vor Weihnachten am Netz.

Finanzielle Unterstützung durch NATURSTROM und die Stadtwerke Amberg

Ein toller Erfolg, der vor allem den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu verdanken ist, die sich an der Finanzierung der Anlage beteiligen. So stammen mit 2,1 Millionen Euro ganze 60 Prozent des eingesetzten Eigenkapitals von insgesamt 210 Privatleuten aus der Region, ein überdurchschnittlich hoher Anteil, wie Wilczek betont. Das restliche Eigenkapital mit jeweils 20 Prozent steuern die Stadtwerke Amberg sowie die naturstrom AG bei und leisten damit einen Beitrag zur Realisierung des Projekts. „Herr Banning besuchte damals alle Protagonisten in Freudenberg persönlich und sicherte uns die finanzielle Unterstützung zu, sollten wir sie denn benötigen“ erinnert sich Wilczek an den Tag, als der naturstrom-Vorstand an seinem Küchentisch saß.  

Kein leeres Versprechen, wie sich herausstellt, denn für naturstrom gehört derartige Unterstützung von Bürgerprojekten von Beginn an dazu. Der Ökostrompionier setzt sich seit Jahren ganz bewusst für Projekte ein, bei denen die dezentrale Energiewende gemeinsam mit den Bürgern vor Ort gestaltet wird.

Ertragserwartungen übertroffen

Nach anfänglicher Nutzung der EEG-Einspeisevergütung entscheiden sich Andreas Wilczek und seine Geschäftsführerkollegen im Herbst 2012 für eine Direktvermarktung des in Freudenberg erzeugten Windstroms. naturstrom übernimmt diese Aufgabe ab März 2013 und so werden die beiden Anlagen zu naturstrom-Lieferkraftwerken. Der Betrieb bringt in den Folgejahren Erfreuliches zu Tage. Die beiden Enercon-Anlagen erzeugen zuverlässig Strom und so wird die Ertragsprognose von 8 Millionen Kilowattstunden seit 2012 jedes Jahr übertroffen. Im Rekordjahr 2017 um 25 Prozent, im bislang „schlechtesten“ Jahr 2014 um 10 Prozent. Das freut nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, welche sich am Projekt finanziell beteiligt haben und nun erhöhte Ausschüttungen genießen können, sondern auch die Gemeindekasse, welche Jahr für Jahr von den entsprechenden Gewerbesteuereinnahmen profitiert. Diese belaufen sich bis 2018 auf insgesamt über 180.000 Euro und bescheren der Gemeinde seit 2012 jedes Jahr im Schnitt über 25.000 Euro Budget, das für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden kann.

Für Andreas Wilczek sind die Windanlagen in Freudenberg heute immer wieder ein Grund zur Freude. Vor dem Hintergrund der anfänglich breiten Windkraftproteste im Landkreis nennt er das, was in Freudenberg geschaffen wurde, ein „echtes Happy-End“ und „gelungenes Energiewende-Projekt“. Jedoch blickt er auch mit Sorge in die Zukunft der Bürgerenergiewende. Ob nun durch die 10H-Regel in Bayern, gesunkene Einspeisevergütungen oder EEG-Ausschreibungen - kleine Akteure geraten laut Wilczek immer mehr ins Abseits. Für Wilczek ist das untragbar. „Die Energiewende ist ein gesellschaftliches Thema und nicht nur ein technisches Problem. Das wissen wir hier in Freudenberg aus Erfahrung besonders gut.“  

Dennoch: Der Blick in Richtung Witzlricht, dem Freudenberger Ortsteil, in dessen Nordosten die beiden Anlagen stehen, macht ihn zufrieden. Und dass die Windräder dort Tag für Tag ihren Dienst tun, darf als Gemeinschaftsleistung bezeichnet werden - ein glänzendes Beispiel also für das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern und für die dezentrale Energiewende.  

Hier finden Sie weitere Informationen zu Bürgerenergie bei naturstrom.

 

 

Das Projekt wird aus Grüner Strom Label-Fördermitteln bezuschusst.

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