17.12.2024
WETTBEWERBLICH. BÜRGERNAH. FLEXIBEL. Die Energiewende in der kommenden Legislatur erfolgreich fortführen
Gemeinsames Positionspapier der Öko-Energieversorger Bürgerwerke, EWS Schönau, Green Planet Energy und naturstrom zur Bundestagswahl 2025
November 2024
Mit den Ausbau-Erfolgen in der ersten Hälfte der 2020er haben die Erneuerbaren Energien gezeigt, dass sie eine sichere, unabhängige Energieerzeugung Deutschlands gewährleisten können. Ebenso sind sie der einzig nachhaltige Weg, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen.
Diese Erfolge gilt es nun auch in der kommenden Legislatur fortzuführen, auszubauen und gleichzeitig die Bürger:innen noch stärker dabei mitzunehmen. Entscheidend dafür wird sein, dass die vielfältigen Vorteile der Energiewende für die Menschen spürbarer werden. Sie macht Deutschland zukunftssicher durch eine nachhaltige, resiliente und günstige Energieversorgung, schafft Wertschöpfung und Arbeitsplätze, auch in ländlichen Regionen, und macht das Land unabhängiger von Lieferungen fossiler Energieträger aus autoritären Staaten.
Die Finanzierung der Energiewende muss über Legislaturen und Haushaltsverhandlungen hinweg nachhaltig gesichert werden. Das schafft Planungssicherheit. Sichere Investitionen in eine klimafreundliche Infrastruktur sind zentral für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Klimafreundliche und wettbewerbsfähige Marktbedingungen
Insbesondere die klimaneutrale Transformation des Stromsektors hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Wichtig wird es nun sein, die Bemühungen beizubehalten, auszubauen und dass der Wärme- und der Verkehrssektor nachziehen und die Lücke zu den Klimazielen geschlossen wird, damit Deutschland auf einen “Paris-konformen Pfad” kommt.
Dafür bedarf es klimafreundlicher und wettbewerbsfähiger Marktbedingungen, die ein sektorenübergreifendes LevelPlaying-Field schaffen. Erneuerbare Energien sollten am Markt teilnehmen können, ohne gegenüber fossilen Energieträgern benachteiligt zu werden. Dies senkt den Förderbedarf und damit die Kosten für die Energiewende.
Maßgebend für die Schaffung eines Level-Playing-Fields ist ein ambitionierter CO2-Preis, der die langfristigen Kosten von kohlenstoffintensiven Brennstoffen einpreist. Deutschland muss den Übergang vom nationalen Brennstoff-Emissionshandel zum ETS II frühzeitig ausgestalten und mit Mindestpreisen absichern, um Planungssicherheit für die Industrie und die gesamte Wirtschaft zu schaffen. Starke CO2-Preise müssen mit einem sozialen Kompensationsmechanismus (Einführung eines sozial gestaffelten Klimagelds) einhergehen, um die Akzeptanz für diese zu gewährleisten und ökonomische Impulse zu setzen. Ohne sozialen Ausgleich wird die Energiewende ins Stocken kommen.
Auch ist für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Energieträgern entscheidend, dass klimaschädliche Subventionen abgebaut werden. Dies stärkt nicht nur den Klimaschutz und neue Geschäftsmodelle, sondern sorgt grundlegend für zusätzliche Spielräume im angespannten (Bundes-)Haushalt.
Ein Level-Playing-Field mit niedrigen Strompreisen stärkt die weitere Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Wärme und macht die damit verbundene Sektorenkopplung und die dringende Flexibilisierung attraktiver. Die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum und eine Streckung der Netzausbaukosten über ein Amortisationskonto können hierfür wichtige Impulse geben.
Bürgernahe Ausgestaltung der Energiewende
Eine wichtige Rolle bei der Transformation des Energiesystems spielt die Beteiligung von Bürger:innen als Antreiber für mehr Akzeptanz. Die Erfolge der Energiewende müssen spürbar für die Bürgerinnen und Bürger werden, sei es durch geringere Energiepreise vor Ort im Rahmen des Baus und Betriebs von Erneuerbare-Energien-Anlagen oder durch die Teilhabe an der lokalen Wertschöpfung durch eine verpflichtende kommunale Abgabe und weitere bürgernahe Beteiligungsmodelle. Die Möglichkeit des Energy Sharings bietet Teilhabe und Mitsprache und sollte deshalb attraktiver ausgestaltet werden, als es die aktuelle Umsetzung vorsieht.
Auch im urbanen Raum müssen die Menschen durch dezentrale und bürgernahe Versorgungsmodelle an der Energiewende teilhaben können. Mit Mieterstrom und der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sind wichtige regulatorische Modelle am Markt, deren Erfolg aber insbesondere von einer gelungenen Digitalisierung der Verteilnetzbetreiber und vom Smart-Meter-Rollout abhängig ist.
Strommarkt reformieren
Die garantierte Förderung hat in der Vergangenheit die nachhaltige Stromerzeugung massentauglich gemacht. Schon heute decken Erneuerbare Energien den mehrheitlichen Anteil am Stromverbrauch, bereits in wenigen Jahren werden Wind und Solar die dominierenden Energieträger im Stromsystem sein. Der dafür notwendige Ausbau wird partikular und in Abhängigkeit vom Marktumfeld förderfrei passieren, braucht aber in Teilen weiterhin einen staatlich abgesicherten Refinanzierungsrahmen. Die angekündigte Umstellung der Fördersystematik auf Contracts for Difference (CfD) mit Rückzahlungsmechanismus ist dabei nur folgerichtig. Entscheidend für die Weiterentwicklung der staatlichen Rahmenbedingungen ist jedoch, die Marktintegration der Erneuerbaren Energien und die Akteursvielfalt der Energiewende weiter in den Mittelpunkt zu stellen. Es darf bei der Umstellung auf ein neues Förderregime keinen Einbruch beim Ausbau geben, auch eine tiefgreifende Verunsicherung der Marktteilnehmer mit einem Modell zu hoher Komplexität gilt es zu vermeiden. Stattdessen muss die Refinanzierung der Erneuerbaren-Energien-Projekte weiter abgesichert werden. Eine wichtige Voraussetzung für ein zukünftiges Fördersystem ist eine praktikable Wechselmöglichkeit zwischen der CfD-Förderung und der sonstigen Direktvermarktung (PPAs).
Die Flexibilisierung des Energiesystems ist entscheidend, um den möglichst schnellen Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung zu realisieren, die Transformation kosteneffizient umzusetzen, innovative Geschäftsmodelle zu ermöglichen und gleichzeitig die hohe Versorgungssicherheit beizubehalten. Einerseits muss sich der Stromverbrauch durch temporäre Lastverschiebungen stärker am Dargebot von Wind- und Solarstrom ausrichten, andererseits muss die Energieeinspeisung ins Netz durch Technologiekombinationen und den Einsatz von Speichern steuerbarer werden. Somit kann auch der Bau von thermischen Back-Up-Kraftwerken (bspw. Gaskraftwerke) reduziert werden.
Dafür benötigt es zwingend einen funktionierenden Smart-Meter-Rollout, der sicherstellt, dass in den kommenden Jahren flächendeckend sowohl kleinere als auch große Erzeugungsanlagen und Verbraucher digitalisiert werden. Erst dann können sich diese auch an marktlichen Anreizen ausrichten, wie beispielsweise an dynamischen Preisstrukturen und Netzentgelten, ohne dass regulatorische Eingriffe notwendig sind.
Speicher sind eines der zentralen Elemente, um das Energiesystem flexibel auszurichten. Häufig verhindert jedoch die bisherige Regulatorik den wirtschaftlichen Betrieb. Mit Multi-Use-Konzepten können Speicher einen wichtigen Beitrag leisten. Hierfür muss die Gesetzgebung weiterhin dringend angepasst werden.
Wir setzen auf marktwirtschaftliche Signale, um auch dezentrale Flexibilitäten für Versorgungssicherheit anzureizen. Rein zentrale Kapazitätsmechanismen lehnen wir ab, da es hier oft zu einer indirekten Vorfestlegung auf thermische und fossile Kraftwerke kommt, Überkapazitäten und hohe Kosten für die Allgemeinheit geschaffen werden. Falls ein Kapazitätsmechanismus eingeführt wird, sollte dieser auch dezentrale Flexibilitäten, Speicher und Lastflexibilität berücksichtigen. Hierdurch können hohe Kosten verhindert werden, die bei Überkapazitäten durch zentrale Elemente im Kapazitätsmarkt voraussichtlich entstehen.
Lokale Signale werden im Strommarkt der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Diese können einen effizienten Anreiz zum systemdienlichen Stromverbrauch geben und sind in den meisten europäischen Ländern bereits üblich.
Wärmewende priorisieren
Die Erfolge des Stromsektors dürfen nicht dazu führen, dass die Dekarbonisierung der anderen Sektoren vernachlässigt wird. Die Wärmewende muss als gleichwertiges Ziel in den Fokus rücken. Denn nur damit können die Klimaschutzziele erreicht werden, die Wirtschaft modernisiert und die Wärmeversorgung krisensicher und unabhängiger von Energieimporten gemacht werden. Statt irreführender Debatten brauchen wir eine Versachlichung. Effizienz ist eine zentrale Säule für das Gelingen der Energiewende im Allgemeinen und der Wärmewende im Besonderen. Erneuerbare Wärmebereitstellung muss mit dem Stromsektor verzahnt werden, und zwar so, dass die schwankende Erzeugung von Wind und PV im gesamten Energiesystem effizient genutzt werden kann. Wärmepumpen sind in verschiedenen Bereichen, von Wohngebäuden bis hin zu industriellen Anlagen, sowie in Verbindung mit Wärmenetzen einsetzbar. Sie sollten, wo technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, zum Standard werden. Aufgrund ihrer Kühlfunktion bieten Wärmepumpen neben ihrer Klimaschutz-Wirkung auch Vorteile für die Klimaanpassung. Darüber hinaus sind grüne Wärmenetze eine wichtige und sinnvolle Möglichkeit, flächendeckend den Wärmesektor zu dekarbonisieren.
Beide Varianten setzen zunächst Investitionen voraus, die sich erst im Laufe der Betriebszeit gegenüber Investitionen in fossilen Energieträger rentieren. Daher sind stabile, langfristige Markt- und Förderbedingungen von großer Relevanz. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude muss so aufgestellt werden, dass nicht mit jeder zukünftigen Haushaltsdebatte die Förderung in Frage gestellt werden kann. Auch muss diese möglichst bürokratiearm beantragt werden können. Für Wärmenetze könnte ein staatliches Bürgschaftsprogramm ein wichtiges Signal für den Mittelstand und für die Fremdkapital-Beschaffung sein, damit sich private Investitionen langfristig lohnen und auch kleinere und mittelständische Akteure die Wärmewende mitgestalten können.
Das Positionspapier als PDF hier zum Download.