18.09.2019

„EU-Kommission entscheidet für E.ON und gegen Wettbewerb und Bürgerinnen und Bürger“

© Roland Horn

Die EU-Kommission hat gestern die Neuordnung der Geschäftsaktivitäten zwischen den Energieriesen E.ON und RWE genehmigt. Der Öko-Energieversorger NATURSTROM befürchtet eine Marktbeherrschende Stellung auf dem Energiemarkt durch die künftige E.ON, die nicht nur zu Lasten der anderen Anbieter, sondern auch der Kunden gehen wird. Der Vorstandsvorsitzende der NATURSTROM AG Dr. Thomas E. Banning sieht durch den Deal erhebliche Wettbewerbsprobleme auf den deutschen Energiemarkt und zukünftig steigende Preise für die Endkundinnen und Endkunden zukommen und lässt auch rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der EU-Kommission prüfen.

Durch die nun bewilligte Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch E.ON und den Tausch von Geschäftsbereichen teilen die beiden Großkonzerne den deutschen Energiemarkt im Handstreich neu untereinander auf. Während RWE den kompletten Kraftwerkspark von Innogy und E.ON sowie eine Beteiligung an E.ON in Höhe von 16,7 Prozent erhält, bekommt E.ON das Endkundengeschäft im Strom- und Gasbereich, den Betrieb von Strom- und Gasnetzen sowie Zukunftsgeschäfte wie Energiedaten oder Ladeinfrastruktur für Elektroautos.

Obwohl sich Wettbewerbshüter gegen den Deal ausgesprochen und eine Vielzahl von Energieversorgern, so auch NATURSTROM, die Kommission im Fall einer Genehmigung zu hohen Auflagen für E.ON wie der Trennung von allen Stadtwerksbeteiligungen aufgerufen hatten, liegt nun eine Genehmigung der EU-Kommission ganz nach den Wünschen von E.ON auf dem Tisch: Zu den wenigen Maßnahmen zählen in Deutschland lediglich die Einstellung des Betriebs von 34 Ladestationen an Autobahnen und die Veräußerung eines kleinen Kundensegmentes „Heizstrom“ – genau die Maßnahmen, die E.ON selbst im Verfahren vorgeschlagen hatte.

„Die Genehmigung des Deals mit solch lächerlich geringen Auflagen ist ein schwerer Rückschlag für den Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt und konterkariert die vor 20 Jahren begonnene Liberalisierung in diesem Feld. Der neue Zuschnitt von E.ON bringt diesem Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung ein, zum Nachteil anderer Energieanbieter wie Stadtwerken und Ökostromversorgern, vor allem aber dann mittelfristig für Millionen von Haushalts- und Gewerbekundinnen und -kunden“, warnt NATURSTROM-Vorstandschef Dr. Thomas E. Banning.

E.ON wird sowohl in der Energiebelieferung an Endkundinnen und Endkunden als auch beim Betrieb der Strom- und Gasnetze das dominierende Unternehmen in Deutschland sein. Mit der Übernahme der Innogy-Kundinnen und -Kunden wird E.ON inklusive aller seiner Beteiligungen rund 16 Millionen Stromkundinnen und -kunden beliefern. Für rund 67 Prozent der Abnehmer in Deutschland wird der E.ON-Konzern Grundversorger, zudem sind gemessen an der Leitungslänge über 50 Prozent der Verteilnetze in der Hand des Konzerns.

„Es muss damit gerechnet werden, dass E.ON Schritt für Schritt viele unabhängige kommunale und mittelständische Anbieter binnen weniger Jahre aus dem Markt verdrängt, andere zumindest zurückdrängt“, so Banning weiter. „Das kann dazu führen, dass Stromkundinnen und -kunden in manchen Regionen zukünftig nur noch die Wahl zwischen unterschiedlichen E.ON-Töchtern und -Marken haben – der Wettbewerb wäre außer Kraft gesetzt, die Endverbraucherinnen und Endverbraucher müssten in der Folge mit steigenden Strompreisen rechnen. Gleichzeitig wird RWE zum größten Stromproduzenten Deutschlands und in einzelnen Marktsegmenten dominierend. Auch hier muss damit gerechnet werden, dass perspektivisch an der Preisschraube gedreht wird und die Kundinnen und Kunden durch die sich aufsummierenden Profitinteressen der beiden Marktriesen über Gebühr belastet werden.“

Nicht nur die Strombelieferung ist von dem Deal betroffen. Durch die Einverleibung großer Teile des staatlich regulierten Netzgeschäftes kann E.ON auf künftig feste und gute Renditen bauen, die dem Konzern Investitionen in andere Geschäftsfelder erleichtern und so einen weiteren Wettbewerbsvorteil verschaffen. Durch die große Marktmacht können zudem Standards durch ein einzelnes Unternehmen geschaffen und durchgesetzt werden, nicht nur im Bereich der Strom- und Gasnetze, sondern auch in neuen Geschäftsfeldern wie der Elektromobilität oder bei dem Betrieb von intelligenten Zählern.

Banning führt aus: „Jedes Unternehmen, dass im Strommarkt in irgendeiner Weise tätig ist, wird Berührungspunkte zu diesem neuen Giganten haben. Vom Anschluss Erneuerbarer-Energien-Projekte ans Verteilnetz über die Belieferung von Kundinnen und Kunden, bei welcher man in Konkurrenz zu den unzähligen E.ON-Marken steht, bis hin zu neuen Geschäftsfeldern wie Ladesäulen und smarten, digitalen Energielösungen, in denen E.ON seine Marktmacht zur Durchsetzung eigener Vorstellungen bei der Gestaltung und Standardisierung der Angebote nutzen kann.“

„Wir von NATURSTROM waren nach der Liberalisierung der Energiemärkte einer der ersten unabhängigen Anbieter. Wir wissen daher sehr genau, wie schwer ein Wettbewerb mit ungleichen Voraussetzungen ist, und es hat damals lange gedauert, auch nur annähernd faire Bedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen. Mit der gestrigen Entscheidung hat die EU-Kommission nicht nur dem freien Wettbewerb geschadet und mittelständischen Anbietern und Stadtwerken einen großen Klotz für die weitere Entwicklung in den Weg gelegt, sondern auch die Haushalts- und Gewerbekundinnen und -kunden in Deutschland einem übermächtigen Anbieter ausgesetzt, der seine Interessen und die seiner internationalen Geldgeber ohne Frage in den kommenden Jahren im Markt durchsetzen wird. Es kann nicht sein, dass wieder einmal reine Finanzmarktinteressen das Rennen machen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger und freien Anbieter. Wir werden deshalb alle Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen und auch eine Klage gegen die Entscheidung prüfen“, so Banning.

Auch unter Klimaschutzgesichtspunkten sei der Deal eine schwere Hypothek, so Banning mit Blick auf die weiteren in dieser Woche anstehenden Entscheidungen im Energiemarkt. „Am Freitag will die Bundesregierung ein großes Klimapaket verabschieden. Die EU-Kommission, die sich ja ebenfalls dem Klimaschutz verschrieben hat, erschwert mit dieser Entscheidung ein Vorankommen auf diesem Themenfeld erheblich. Klimaschutz funktioniert am schnellsten und effizientesten im Wettstreit der Ideen, im Wettbewerb verschiedener Anbieter und Akteure. Mit der Genehmigung dieses Deals der Konzerne ziehen sehr dunkle Wolken für diese für den Klimaschutz benötigte Vielfalt auf. Ich hoffe, dass viele Kundinnen und Kunden des neuen Energieriesen ihre Konsequenz ziehen durch einen Wechsel des Anbieters. Zukunft bedeutet grüne Wirtschaft – rote Firmenfarben versprechen da nichts Gutes.“