20.09.2019

„Das Klimaschutzprogramm 2030 verdient diesen Namen nicht “

© Roland Horn

Düsseldorf, 20. September 2019. Die Bundesregierung hat heute ein Paket vorgelegt, mit dem nach dem Verfehlen der Klimaziele 2020 wieder stärkere Treibhausgaseinsparungen erreicht werden sollen. Die NATURSTROM AG begrüßt, dass sich die große Koalition endlich mit dem Thema Klimaschutz beschäftigt, zeigt sich von den Ergebnissen aber schwer enttäuscht.

„Dass die Bundesregierung ihre Vorschläge genau am Tag der massenhaften globalen Klimaschutzdemonstrationen von Fridays for Future und anderen nachhaltig ausgerichteten Organisationen präsentiert, hätte ein deutliches Signal für entschiedenes Handeln werden können. Leider wurde diese Chance erneut klar verpasst. Auch wenn es gut ist, dass das Thema Klimaschutz nun endlich überhaupt in der großen Koalition angekommen ist, scheint die Dringlichkeit des Handelns mit relevanten Auswirkungen weiter nicht erkannt worden zu sein. Das vorgelegte Paket ist gemessen an der Notwendigkeit einer deutlich schnelleren Treibhausgasreduktion jedenfalls eine herbe Enttäuschung und verdient den Namen Klimaschutzprogramm nicht“, kommentiert Dr. Thomas E. Banning, Vorstandsvorsitzender der NATURSTROM AG.  

Neben vielen Förderprogrammen will die Koalition u.a. einen Handel mit CO2-Zertifikaten auflegen. Banning bedauert, dass durch die angedachte Ausgestaltung des Instrumentes die Wirksamkeit massiv geschmälert wird: „Eine umfassende Bepreisung von CO2 ist längt überfällig. Es ist doch niemandem zu erklären, dass wir seit Jahren über die Schädlichkeit von Treibhausgasen sprechen und diese weiterhin überwiegend umsonst in die Atmosphäre abgeladen werden können. So sinnvoll die Idee also prinzipiell ist, so wenig zielführend ist leider die angedachte Umsetzung.“ Banning weist darauf hin, dass die Einführung des vereinbarten Emissionshandels erst 2021 starten werde und dann mit lächerlich geringen Preisen beginne. Zudem sei die enthaltene Obergrenze von 60 Euro im Jahr 2026 für die Zertifikate vollkommen wiedersinnig: „Der Ausstoß von CO2 verursacht laut Umweltbundesamt Umwelt- und Gesundheitsschäden von rund 180 Euro pro Tonne. Der Beginn mit einem Zertifikatspreis von 10 Euro ist da in keinster Weise angemessen – aktuell zahlen Industrieunternehmen, die am europäischen CO2-Zertifikatehandel teilnehmen müssen, schon an die 30 Euro. Die meisten Vorschläge im Vorfeld haben einen CO2-Preis von mindestens 35 Euro pro Tonne als angemessen für den Start genannt, diese Höhe soll nun erst 2025 erreicht werden.“

„Es drängt sich der Eindruck auf, dass an schnellen Änderungen überhaupt kein Interesse besteht, sondern man eigentlich nur einen billigen Weg sucht, mit denen man die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wissenschaft abwehren kann. Wenn man schon auf einen Zertifikatehandel setzt, müssen die Preise auch diese Kostenwahrheit sprechen können und dürfen nicht künstlich gedeckelt werden! Ich frage mich: wie bitte soll ein gewünschter Umstieg auf Elektrofahrzeuge erfolgen, wenn nach wie vor die Preise für Benzin und Diesel niedrig gehalten werden? Und wie sollen die völkerrechtlich eingegangenen Ziele erreicht werden, wenn weiterhin Öl und Gas zum Heizen von Gebäuden verbrannt werden? Hier hätte es einen Beschluss benötigt, welcher die Nutzung vor allem von Öl zur Heizung massiv verteuert., so dass der zügige Umstieg auf Alternativen für die Bürger auch wirtschaftlich auf der Hand liegt. Auch ein Eingriff in das Bauordnungsrecht wäre angemessen, damit Gemeinden Anschlusszwang an regenerativ betriebene Nahwärmenetze nicht nur beschließen können, sondern im Interesse des Klimaschutzes beschließen müssen. Diese Versorgungsalternativen sind vorhanden, wir beweisen das in vielen Wärmeversorgungsprojekten täglich.“

Eine entscheidende Schwachstelle des Klimapakets sieht Banning zudem in der zu geringen Berücksichtigung der erneuerbaren Energien. Schließlich brächten auch Elektromobilität und Wärmepumpen nur einen wirklichen Klimaschutzbeitrag, wenn sie mit Ökostrom betrieben würden. Und selbst ohne diese zusätzlichen Verbraucher erfülle sich das 65%-Ökostrom-Ziel bis 2035 nicht von alleine: „Wind- und Solarenergie sind die wichtigsten Träger all unserer Klimaschutzmaßnahmen. Die aktuellen Ausschreibungsmengen reichen aber weder für die Erreichung unserer Energie-, noch der Klimaziele aus – erst recht nicht, wenn viele zusätzliche Stromverbraucher dazukommen. Gerade auch mit Blick auf die Vielzahl an Altanlagen, die in den kommenden Jahren vom Netz gehen, braucht es ein deutlich höheres Ausbautempo bei den Erneuerbaren. Bei der Windenergie an Land ist es zudem entscheidend, dass die angedachten Mengen überhaupt realisiert werden können, dazu braucht es mehr Flächen und Genehmigungen und vor allem eine klare Unterstützung durch die Entscheider auf allen Ebenen. Mit Blick auf die Solarenergie ist es zwar gut, dass der Förderdeckel abgeschafft wird. Nun muss es darum gehen, das riesige Potenzial auf den Dächern, gerade auch in den Städten, sehr viel besser auszunutzen. Hierfür sind unbedingt deutliche Verbesserungen beim Mieterstrom und eine ausgeweitete Abgabenbefreiung bei Eigenverbrauchsmodellen notwendig. Denn ohne Wind- und Solarenergie keine Energiewende und damit kein Klimaschutz“, so Banning abschließend.